Wie Amazon mit Whole Foods der Einstieg in den deutschen Lebensmittelhandel gelingen kann - Supermarktblog (2024)

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Seit dem Jahreswechsel verkauft Amazon in Deutschland erstmals Lebensmittel unter seiner Bio-Marke Whole Foods Market (siehe Supermarktblog). Auch wenn die Auswahl zunächst eingeschränkt ist, dürfte das der Start eines sehr viel größeren Engagements des Konzerns im deutschen (bzw. europäischen) Lebensmitteleinzelhandel sein, den zahlreiche Experten erwarten.

Die Frage scheint nicht mehr zu sein, ob sich Amazon einen oder mehrere europäische Lebensmittelhändler kauft, sondern bloß: welche?

In den Medien wird immer wieder Real als Übernahmekandidat genannt, weil der bisherige Eigentümer Metro bekannt gegeben hat, die SB-Warenhauskette verkaufen zu wollen. Doch die Kette würde Amazon wenig nützen. Die Läden sind zu groß, die Lagen am Stadtrand wenig attraktiv, der Sanierungsstau ist massiv.

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Die Konkurrenten Aldi, Edeka, Lidl/Kaufland und Rewe wiederum werden einen Teufel tun, selbigem den Weg auf ihren Markt zu ebnen.

Drei auf einen Streich?

Im Dezember hat sich die „Lebensmittel Zeitung“ aus der Deckung gewagt und ihre Prognose abgegeben. Amazon werde sich „mit der Übernahme von gleich drei Händlern beschäftigen müssen, um Whole Foods flächendeckend in deutschen Städten einzuführen“. Nach der Auffassung von Autor Björn Weber handelt es sich dabei um die regionalen Anbieter Tegut (in der Mitte Deutschlands), die Bünting-Kette Combi (im Norden) und Drogeriemarkt Müller (vor allem im Süden und Westen). Bünting und Tegut würden ohnehin schon mit Amazon kooperieren, bei Müller gebe es „Unklarheiten in der Nachfolge“.

Das stimmt alles. Dennoch scheint mir die von der LZ ins Spiel gebrachte Variante wenig realistisch – aus einem einfachen Grund: Selbst wenn alle drei Übernahmen gelängen, wäre der Aufwand einer anschließenden Restrukturierung enorm. Amazon müsste sich über Jahre damit beschäftigen, unterschiedliche Unternehmenskulturen und Filialnetze zusammenzuführen. An einer ganz ähnlichen Mission ist hierzulande bereits Walmart gescheitert (mehr dazu im E-Book für regelmäßige Blog-Unterstützer).

Bei Müller käme eine fast vollständig Sortimentsumrüstung vom Drogerie-Kaufhaus zum Lebensmittelhändler dazu.

Vor allem würde die Lösung Amazon nur wenige Filialen (von Müller) in den Metropolen Berlin und Hamburg bescheren, wo das Potenzial für einen Erfolg von Whole Foods Market aber riesig sein dürfte.

denn’s wäre der ideale Partner

Sehr viel plausibler wäre, dass Amazon nicht von seiner bisherigen Strategie abweicht – und auch in Deutschland eine etablierte Biomarktkette erwirbt, um sie zu Whole Foods Market umzubauen.

Bereits Ende 2017 spekulierte der „Focus“, dass es sich dabei um das Münchner Handelsunternehmen Basic handeln könnte, das ohnehin auf der Suche nach neuen Investoren sei. Basic ist zwar in zahlreichen großen deutschen Städten vertreten, mit deutschlandweit 25 Filialen aber eher klein; zudem ging die mit Amazon geschlossene Partnerschaft im vergangenen Jahr schon wieder in die Brüche (siehe Supermarktblog).

Wettbewerber Alnatura wäre nicht nur wegen seines riesigen Eigenmarken-Portfolios interessant (das zum Teil bereits auf amazon.de zu kaufen ist), sondern kommt auf immerhin 132 eigene Märkte in zwölf Bundesländern, viele davon ebenfalls in größeren Städten. Ein wesentlicher Teil der Umsätze (das „Handelsblatt“ berichtete Ende 2018 von rund 40 Prozent) basieren jedoch auf einer engen Partnerschaft mit dem klassischen Lebensmitteleinzelhandel, die von einem neuen Eigentümer Amazon empfindlich gestört würde.

Bleibt noch ein großes deutsches Bio-Handelsunternehmen: denn’s Biomarkt.

Amazon benötigt funktionierende Strukturen, auf die sich Whole Foods Market idealerweise einfach aufsetzen ließe. Genau die bietet die Einzelhandelssparte der Dennree-Gruppe. Das liegt vor allem daran, dass denn’s Biomarkt bereits hochexpansiv unterwegs ist und sich in den vergangenen Jahren zahlreiche City-Lagen gesichert hat, die klassischen Supermärkten und Discountern lange zu klein waren. Seit 2012 hat die Gruppe ihre Filialzahl auf rund 250 verdreifacht – durch Neueröffnungen ebenso wie Übernahmen regionaler Biomärkte. (Genau so wie Whole Foods Market in den USA und Großbritannien gewachsen ist, übrigens.)

Die Expansionskriterien von denn’s lesen sich, als könnte Amazon sie für seine Ausbreitung in europäischen Innenstadtlagen direkt übernehmen: Lagen an Hauptverkehrsachsen, sehr gute Erreichbarkeit und Sichtbarkeit, Flächen von 300 bis 800 m².

Vor allem der Blick auf die existierenden Standorte veranschaulicht jedoch das Potenzial einer Übernahme: In Berlin würde Amazon von heute auf morgen über 24 38 Filialen verfügen, viele davon mitten in der Stadt, oftmals in Neubauten mit guter Verkehrsanbindung. In Hamburg und München verfügt denn’s Biomarkt jeweils über sechs Filialen; auch in Köln (4 Märkte) und Frankfurt am Main (5) ist die Handelskette vertreten. Stuttgart ist mit einem einzelnen Markt ein kleiner Schwachpunkt. Düsseldorf (3), Dortmund (1), Essen (3) und Leipzig (2) bügeln das aber wieder aus.

Kurz gesagt: Nach einer Übernahme von denn’s Biomarkt wäre Amazon auf einen Schlag in den zehn größten deutschen Städten vertreten, im Norden, Osten, Süden und Westen des Landes.

Weil denn’s auch Bio-Kunden in Bremen (4), Dresden (3), Hannover (7), Nürnberg (4) und Duisburg (1) versorgt, und darüber hinaus in Bochum (2), Wuppertal (1), Bielefeld (1), Bonn (2), Münster (2), Karlsruhe (2), im Raum Mannheim/Heidelberg (3), Augsburg (2), Wiesbaden (2) präsent ist, könnte es Amazon gelingen, sich in den 25 größten deutschen Städten bzw. Metropolregionen gegen den etablierten Lebensmitteleinzelhandel in Position zu bringen.

Und der Markteinstieg in Österreich wäre in einem Rutsch miterledigt: Ganze 16 denn’s-Filialen in Wien machen die österreichische Hauptstadt zu einem idealen zweiten Drehkreuz für die Lebensmittel-Expansion im mitteleuropäischen Raum; Linz (3), Graz (2), Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg (jeweils 1 Markt) kommen noch dazu.

So würde Amazon seinem Ruf als Angstgegner des klassischen Lebensmitteleinzelhandels quasi über Nacht gerecht.

Nicht nur, weil man zusätzliche Kunden in die eigenen Läden lockte, indem man Prime-Mitglieder dort ihre Pakete am Amazon Locker abholen ließe; sondern auch, indem in den Filialen Kommissionierecken für die Direktzustellung frischer Lebensmittel per Prime Now eingerichtet werden könnten (so wie es Whole Foods in den USA vormacht; siehe Supermarktblog).

Das wäre nicht nur für Edeka, Aldi & Co. ein schwerer Schlag, sondern würde auch den Bio-Fachhandel in eine tiefe Krise stürzen. Über sein Großhandelsgeschäft versorgt die denn’s-Mutter Dennree schließlich mehr als 1.400 Biomärkte in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Südtirol mit Ware. Ein Großteil davon würde es als fundamentalen Verstoß gegen die eigenen Werte verstehen, plötzlich ausgerechnet mit Amazon Geschäfte machen zu sollen – vorausgesetzt, das Handelsgeschäft würde bei einer Übernahme nicht aus der Dennree-Gruppe herausgelöst.

Um sich größtmögliche Unabhängigkeit zu sichern, dürfte der Großhandel aber auch für Amazon von Interesse sein, zumal sich eine weitere Filial-Expansion darüber zum Teil von selbst bezahlen würde. Bei Whole Foods Market stellt Amazon dafür entsprechende Investitionen bereit, wie Jim Sud, Executive Vice-President für Growth & Business Development bei Whole Foods Market, kürzlich auf einer Veranstaltung unterstrichen hat:

„(…) when Amazon acquired us, they sort of said: ‚You’re on. Start growing again‘.“

Bio mit „Preistipp“-Versprechen

Es gibt noch mehr Punkte, die denn’s Biomarkt zu einer interessanten Basis für ein deutsches Whole Foods machen:

Das vor zwei Jahren eingeführte Kundenbindungsprogramm „Mein denn’s“ (siehe Supermarktblog) könnte vollständig digitalisiert und mit Amazon Prime verschmolzen werden.

Die Eigenmarken bräuchten bloß einen neuen Namen (so wie in Großbritannien, wo das Label Fresh & Wild gerade endgültig verschwindet). Die Orientierung in Richtung Bio-Preiseinstieg, die Amazon Whole Foods derzeit verordnet, ist bei denn’s in Grundzügen bereits angelegt. Zum Jahresstart hat die Biokette gerade einen kompletten Handzettel herausgegeben, in dem fast ausschließlich Eigenmarken aus dem „Preistipp-Sortiment“ beworben wurden (PDF):

„Das Sortiment umfasst über 200 Produkte in hoher Bio-Qualität mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.“

Vermutlich würde Amazon das Sortiment zudem mit einer Auswahl konventionell erzeugter Produkte ergänzen, um Kunden beim Einkauf die Wahl zu lassen.

All das bedeutet natürlich längst nicht, dass Dennree-Gründer und Bio-Pionier Thomas Greim, der selten in der Öffentlichkeit auftaucht, das von ihm aufgebaute Unternehmen auch tatsächlich an Amazon verkaufen würde. Aber es gibt Gründe, die dafür sprächen:

  • Amazon als Eigentümer wäre für denn’s Biomarkt (unter neuem Namen) eine Entwicklungsgarantie für die kommenden Jahre. Bislang kriegt das Unternehmen die Expansion zwar erfolgreich alleine gestemmt. Aber spätestens mit der aktuellen Kampfansage von Lidl, das eigene Bio-Sortiment vollständig in Bioland-Qualität anbieten zu wollen, und den wachsenden Bio-Ambitionen der übrigen Wettbewerber verschwimmen die Grenzen zum klassischen Lebensmitteleinzelhandel (siehe Supermarktblog). In Zukunft könnte es deshalb sehr viel schwieriger werden, aus eigener Kraft zu wachsen.
  • Dazu kommt, dass denn’s Biomarkt im Online-Handel mit Lebensmitteln bislang nicht mal ein Füßchen in der Tür hat. Sollten sich Kunden in den kommenden Jahren daran gewöhnen, einen Teil ihrer Einkäufe direkt nachhause liefern zu lassen, müsste sich denn’s arg anstrengen, den Anschluss zu finden. Dass das aus eigener Kraft gelänge, wird unwahrscheinlicher, wenn sich die Konkurrenz in Position gebracht hat.
  • Amazon ist auf das Lebensmittel-Know-How des bisherigen Managements angewiesen, das sich auf die Weiterentwicklung des Formats konzentrieren könnte; Whole-Foods-Expansions-Chef Sud erklärt:

„So now we have the freedom to operate the business in a manner that it needs to be operated without the pressure of quarterly earnings, and that has been really great for the management team to be able to focus on the business and do the right things.”

Gewichtige Gründe

Ob das aus Sicht der Eigentümer an Argumenten reicht, um die eigene Unabhängigkeit aufzugeben, lässt sich schwer sagen. Aber wenn ich im Auftrag von Amazon dafür sorgen müsste, einen sauberen Einstieg in den europäischen Lebensmitteleinzelhandel zu organisieren, würde ich mich ziemlich ins Zeug legen, diesen Argumenten das nötige Gewicht zu verleihen. Eine schlüsselfertigere Lösung für den Markteinstieg von Whole Foods in Deutschland werden die Amerikaner hierzulande jedenfalls kaum präsentiert bekommen.

(Wie praktisch, dass es von der Münchner Amazon-Zentrale ins oberfränkische Töpen zum Unternehmenssitz von Dennree bloß zweieinhalb Autostunden Fahrt sind.)

Was natürlich nicht bedeutet, dass Amazon sich nicht alles ganz anders überlegt – und weiter so in den Markt hineinstolpert, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Korrektur: Die Zahl der denn’s-Märkte in Berlin war im Text zunächst mit 24 angegeben (die in der Marktsuche auf denns-biomarkt.de angeführt werden). Es sind aber 38. Die zunächst Bremen zugeordneten Läden liegen in Oldenburg. Entschuldigung.

Fotos: SupermarktblogWie Amazon mit Whole Foods der Einstieg in den deutschen Lebensmittelhandel gelingen kann - Supermarktblog (11)

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